Menschen unterscheiden sich darin, wie stark ihr Bedürfnis nach Freiheit und Unabhängigkeit in einer Partnerschaft ist. In dieser Woche schauen wir uns an, wie Paare ihr Unabhängigkeitsbedürfnis durch gemeinsames oder getrenntes Wohnen regulieren und was das für die Beziehungsqualität bedeutet. Eine Studie von Birk Hagemeyer, Felix D. Schönbrodt, Franz J. Neyer, Wiebke Neberich, und Jens B. Asendorpf (2015) Nähe und Zusammengehörigkeit sind bedeutsame Zutaten für eine gut funktionierende Beziehung. Trotzdem ist es für viele Menschen auch innerhalb von Partnerschaften nötig sich ein gewisses Mass an Eigenständigkeit zu bewahren. Es stellt sich die Frage, wie Menschen, denen Ihre Unabhängigkeit sehr wichtig ist mit der Nähe einer Partnerschaft umgehen.
Birk Hagemeyer und Kollegen von der Universität Jena, München und Berlin haben sich angeschaut, wie Personen, denen die eigene Unabhängigkeit besonders wichtig ist, ihre räumliche Nähe zum Partner bzw. zu Partnerin gestalten. Genauer gesagt, haben die Wissenschaftler/innen untersucht, welche Wohnformen Partner/innen wählen, deren Unabhängigkeitsbedürfnis mehr oder weniger stark ausgeprägt ist, d.h. ob sie eher mit ihren Partner/innen zusammen wohnen oder in getrennten Wohnungen leben. Um diese Frage zu beantworten, haben sie 548 gegengeschlechtliche Paare unter anderem darum gebeten, Auskunft zu Ihrer aktuellen Wohnsituation, ihrem Unabhängigkeitsbedürfnis, den Konflikten in Ihrer Partnerschaft und zu ihrer Beziehungsqualität zu geben. In der Untersuchung zeigte sich, dass Personen, die einen grösseren Wert auf ihre persönliche Unabhängigkeit legten, häufiger getrennt von ihrem Partner/ ihrer Partnerin lebten. Dieser Zusammenhang liess sich jedoch nur für Paare beobachten, bei denen die Partnerin nicht mehr im gebärfähigen Alter war. Die Wissenschaftler/innen schlussfolgern daraus, dass sich Menschen ein Lebens- und Wohnumfeld schaffen, dass ihrem persönlichen Bedürfnis nach Unabhängigkeit entspricht. Dies scheint jedoch vor allem dann zum Tragen zu kommen, wenn andere Beziehungsziele, wie die Gründung einer Familie und die Erziehung von Kindern, nicht mehr im Vordergrund steht. Anhand der gesammelten Fragebogendaten konnte ausserdem untersucht werden, wie ein höheres Bedürfnis nach Eigenständigkeit mit der Qualität von Paarbeziehungen zusammenhängt. Die Ergebnisse sprachen dafür, dass es in Partnerschaften häufiger zu Konflikten kam und dass beide Partner/innen die Qualität ihrer Beziehung als tiefer einschätzten, wenn der Mann von einem hohen Unabhängigkeitsbedürfnis berichtete. Interessanterweise zeichnete sich dieses negative Bild jedoch vordergründig in Partnerschaften von Männern ab, die ein hohes Unabhängigkeitsbedürfnis angaben und gleichzeitig mit ihren Partnerinnen zusammenwohnten. Bei getrennt wohnende Paaren konnten hingegen positive Zusammenhänge zwischen einem höheren Unabhängigkeitsstreben und der Beziehungsqualität beobachtet werden. Die Wissenschaftler/innen erklären sich diesen Befund damit, dass es häufiger zu Frustrationen und Unstimmigkeiten kommen kann, wenn Männer, denen ihre Freiheit sehr wichtig ist, viel räumliche Nähe aushalten müssen. Gleichzeitig könnten sich ihre Partnerinnen dadurch verletzt fühlen, dass der Mensch mit dem sie zusammenwohnen, einen grösseren Abstand benötigt. Unklar bleibt jedoch, weshalb sich diese Zusammenhänge nur bei Männern mit einem hohen Unabhängigkeitsbedürfnis beobachten liessen, nicht aber bei Frauen. Die Befunde legen nahe, dass es, wie so oft, kein gut oder schlecht gibt, wenn es um das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und die Qualität von Paarbeziehungen geht. Stattdessen scheint alles eine Frage der Passung zu sein und diese Passung kann sich auch in der Wohnform von Paaren widerspiegeln. Dieser Blogpost wurde von M.Sc. Jenna Wünsche verfasst. Bildquelle: Jacquelynjbenson Kommentare sind geschlossen.
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