“Es war Liebe auf den ersten Blick”, so beschreiben einige Personen den Beginn ihrer Beziehung. Aber gibt es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick überhaupt und wenn ja, was ist es? ForscherInnen der Universität Groningen wollten Antworten auf diese Frage finden und untersuchten, was hinter den vielsagenden Worten steckt. Eine Studie von Florian Zsok, Matthias Haucke, Cornelia Y. de Wit und Dick P.H. Barelds Seit etwa 3’000 Jahren zelebrieren Kunst und Literatur Liebe auf den ersten Blick als etwas Besonderes. Zeitgenössische Medien und Filme unterstreichen dieses Bild forthin, sodass Liebe auf den ersten Blick über Kulturen hinweg bekannt ist. Haben Sie schon einmal Liebe auf den ersten Blick erlebt? Dies wäre nicht unwahrscheinlich, denn in westlichen Kulturen gibt jede dritte Person an, diesen Moment schon einmal erlebt zu haben. Aber obwohl Liebe auf den ersten Blick in den Herzen und Köpfen vieler Menschen ein weit verbreitetes Phänomen ist, hat sich die psychologische Forschung diesem Phänomen bislang wenig gewidmet.
„Das ist alles nur Illusion“, so würden kritische Zungen bekunden. In der Tat scheinen Erinnerungen und Gedanken an diesen besonderen Moment der Initialzündung nicht ganz motivationslos daherzukommen. Denn Personen neigen dazu, sich die Vergangenheit basierend auf der Gegenwart einzuprägen. Dies bedeutet, dass Liebe auf den ersten Blick insbesondere dann erinnert wird, wenn sich daraus eine Beziehung entwickelt hat. Dem Moment der ersten Begegnung wird damit eine besondere Bedeutung zuteil. Er lässt die daraus entstandene Beziehung in einem besonderen Licht erstrahlen und trägt das Paar durch die weiteren Phasen der Beziehung. Zum Einfluss der Gedanken gesellt sich die Kraft des Körpers. Denn Personen, die von Liebe auf den ersten Blick sprechen, berichten im selben Atemzug oft von einer starken körperlichen Anziehung, die sie gespürt haben. Und welche Gefühle empfinden diese Personen? Meisthin, so die Vermutung der Forschergruppe, sollten diese Personen Leidenschaft empfinden. Was also ist Liebe auf den ersten Blick? Ein kreierter Gedanke, eine körperliche Reaktion, eine gefühlsbezogene Regung oder alles zusammen? Um diese Fragen zu beantworten, untersuchten ForscherInnen der Universität Groningen Studienteilnehmende im Datingprozess und in bereits etablierten Beziehung in drei Kontexten: Online, im Labor, und bei Dating Events, wie etwa bei einem Speed-Dating. Die ForscherInnen zeigten den insgesamt 396 ProbandInnen Bilder von möglichen PartnerInnen, welche Profilbildern auf Partnerbörsen glichen. Zudem fragten sie die ProbandInnen, ob sie beim Anblick des Gegenübers Liebe auf den ersten Blick erleben würden. Ferner füllten die ProbandInnen Fragebögen zur eingeschätzten Attraktivität des Gegenübers und zu unterschiedlichen Aspekten der Liebe aus. Die Ergebnisse zeigten, dass 32 ProbandInnen Liebe auf den ersten Blick erlebt hatten – manche von ihnen sogar mehrfach. Mit diesem Ergebnis schliessen die ForscherInnen, dass Liebe auf den ersten Blick durchaus vorkommt, ganz unabhängig davon, wie sich die Beziehungsgeschichte weiterentwickelt und somit keine illusorischen Gedanken am Werk sind. Zudem fühlten sich Personen, die Liebe auf den ersten Blick angaben, gleichzeitig auch körperlich zu ihrem Gegenüber hingezogen. Hinsichtlich der Gefühlsebene zeigten sich Personen, die Liebe auf den ersten Blick angegeben haben, relativ indifferent. Die Forscher vermuteten, dass stattdessen andere Gefühlsregungen, wie Aufregungen oder „das paradoxe Gefühl eine Person nicht zu kennen und sie zugleich doch sofort zu kennen“ eine Rolle spielen könnten. Was ist sie nun, die Liebe auf den ersten Blick? Die ForscherInnen schliessen aus ihrer Untersuchung, dass manche Personen diese Regung tatsächlich empfinden und dies nicht im Nachhinein konstruieren. Zudem scheint die körperliche Anziehung eine Rolle zu spielen; tiefergehende emotionale Empfindungen kommen jedoch erst im späteren Verlauf der Beziehungsgeschichte dazu. Was genau Liebe auf den ersten Blick ist, bleibt aber auch nach dieser Studie noch ungeklärt. Vielleicht ist aber auch gut, dass manche Phänomene der Liebe auch der Forschung noch unbekannt bleiben. Dieser Blogpost wurde von M.Sc. Janina Bühler verfasst. Bildquelle: Wicker Paradise / Flickr Kommentare sind geschlossen.
|