«Wenn sich meine Partnerin ändern würde, hätten wir keine Probleme mehr.« oder «Wenn mein Partner offener und lockerer wäre, wären wir glücklich.« Mit diesen oder sehr ähnlichen Sätzen kommen Paare in die Paartherapie und hoffen auf ein Wunder. Aber wie ausgeprägt ist unsere Fähigkeit zur Veränderung? Und wollen wir uns überhaupt verändern, wenn das Gegenüber uns dies nahegelegt – oder dann erst recht nicht? Lesen Sie mehr dazu in unserem Blogpost, der sich diese Woche der praktischen Seite der Forschung zuwendet. Eine Studie von Kieran T. Sullivan und Joanne Davila (2014) «Wenn sich mein Gegenüber doch nur ändern würde…». Viele Paare, die in eine Paartherapie kommen, meinen die Quelle ihrer Probleme erkannt zu haben: das Gegenüber mit seinen Angewohnheiten, Routinen, Charaktereigenheiten und störenden Verhaltensweisen. Wenn diese nur anders wären, so wäre alles in friedlicher und glücklicher Ruhe. In der Tat zeigen Studien, dass Veränderungswünsche - neben Kommunikationsproblemen, unrealistischen Erwartungen, unerfüllten Zärtlichkeits- und Sexualitätswünschen sowie Geldproblematiken – die häufigsten Gründe sind, warum Paare einen Therapeuten oder eine Therapeutin aufsuchen.
Aber inwieweit können sich Personen überhaupt verändern? Dieser Frage haben sich die Forschenden Kieran T. Sullivan und Joanne Davila in einer theoretischen Zusammenstellung bisheriger Forschungsergebnisse angenommen. Die Studienlage verrät uns, dass Persönlichkeitseigenschaften, wie Gewissenhaftigkeit oder Offenheit für Neues, über die Zeit hinweg relativ stabil sind. Diese Stabilität wird weiter dadurch begünstigt, dass wir uns zumeist Umgebungen aussuchen, die zu unseren Eigenschaften passen. Ein eher ruhiger Mensch wird sich eine ruhigere und bedachtere Stadt oder ländliche Gebiete zum Wohnen aussuchen, während es einen extrovertierten und abenteuerlustigen Menschen eher in eine Umgebung zieht, die Vielfalt versprechen lässt. Bleiben wir damit immer die gleichen? Nicht unbedingt. Neuere Studien haben gezeigt, dass sich Persönlichkeitseigenschaften durchaus verändern können, vor allem als Reaktion auf Umgebungsveränderungen oder nach grösseren Lebensereignissen, wie einer Heirat oder Scheidung. Allerdings ist es schwierig – wenn nicht unmöglich – die Persönlichkeit gänzlich zu verändern, weil uns genetische Faktoren mit einer bestimmten Ausstattung bestückt haben. Leichter ist es hingegen, wenn konkretes Verhalten der Inhalt des Veränderungswunsches ist. Beispielsweise könnte hinter dem Veränderungswunsch, der Partner möge offener sein, die Hoffnung vermehrter gemeinsamer Unternehmungen liegen. Es sind somit diese hinter den offen artikulierten Veränderungswünschen liegende Bedürfnisse, die Inhalt der Paartherapie sein können. Durch Fragen, gemeinsames Reflektieren, Abwägen und wiederholtes Zusammenfassen kann der Therapeut/die Therapeutin eine gemeinsame Reflexion beim Paar ermöglichen. Allerdings sollte dieser Veränderungsprozess sorgsam gestaltet werden, denn während Partner/innen in manchen Fällen als Verbündete im Veränderungsprozess fungieren, so erscheinen sie in anderen Fällen als Gegner/innen. Diese negativen Effekte werden oft dadurch hervorgerufen, dass Partner/innen die Veränderungsbereitschaft des anderen/der anderen überschätzen. Beispielsweise kann ein und dieselbe Handlung sehr unterschiedliche Reaktionen auslösen: Wenn ein Partner Nikotingaugummis für das Gegenüber mitbringt, kann dies sehr positiv sein, wenn die Partnerin schon lange vorhat, mit dem Rauchen aufzuhören und dies gerne umsetzen möchte. Es kann sich aber negativ auswirken, wenn die Partnerin noch nicht an dem Punkt der willentlichen Veränderung angelangt ist. Denn Veränderung passiert eher und gestaltet sich positiver, wenn wir uns selbst als Initiatoren dieser Veränderung sehen. Ein Gegenüber, welches permanent mit dem Zeigefinger in die gewünschte Veränderungsrichtung weist, löst eher Reaktanz aus. Je autonomer eine Person aber die eigene Veränderung initiieren und ansteuern kann, desto eher wird sie Veränderung erlangen und desto angenehmer fühlt sich dieser Veränderungsprozess an. Was macht nun Veränderungsprozesse in der Paartherapie wahrscheinlicher? Die Autor/innen nennen vier konkrete Gestaltungsaspekte. Erstens sollten Partner und Partnerinnen die Erwartungen haben, dass die Therapie auch eine gewünschte Wirkung erzielen kann. Zweitens wird die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht, wenn eine starke Allianz und gemeinsame Zugrichtung mit dem Therapeuten/der Therapeutin wahrgenommen wird. Drittens sollten Partner und Partnerinnen die Bereitschaft mitbringen, Rückmeldung des Therapeuten/der Therapeutin zu erhalten, wodurch wiederum gegenseitiges Verständnis und Empathie im Paar ermöglicht werden kann. Viertens sollten Partner/Partnerinnen im Rahmen der Therapie korrektive Erfahrungen machen können, beispielsweise dadurch, dass Konflikte im Therapierahmen seltener eskalieren und positiver ablaufen. Warum sind diese Aspekte relevant? Sie alle können dazu führen, dass sich Partner/innen wieder verstärkt als Team im gemeinsamen Gestaltungs- und Veränderungsprozess ihrer Beziehung wahrnehmen, anstatt in gegenseitiger Kritik und Abwehr zu verharren. Allerdings bedeutet dies auch Arbeit, denn wie schon Heraclitus sagte, «Nichts ist von Dauer ausser die Veränderung selbst». Neben Veränderung ist somit ein weiterer Aspekt zentral: Akzeptanz. Akzeptanz für die Situation und Akzeptanz für das Gegenüber. Zwei Facetten beschreiben diese Akzeptanz. Zum einen einfühlendes Verbinden («empathic joining»), wonach sich Partner/innen in ihren gegenseitigen Verletzlichkeiten und Erfahrungen besser kennenlernen dürfen, um so die Position des Gegenübers besser nachvollziehen zu können. Zum anderen, vereinte Loslösung («unified detachment»), wonach das Paar das Problem nicht länger innerhalb der Beziehung lokalisiert, sondern ausserhalb der Beziehung. Anstatt sich gegenseitig zu beschuldigen, wird das Problem dann ihr gemeinsames Gegenüber, wodurch die Partner/innen sich wieder vermehrt als Allianz wahrnehmen. Dadurch und durch die zuvor genannten Aspekte ist nicht länger der Partner/die Partnerin das Problem, sondern «das Problem ist das Problem». Dieser Blogpost wurde von M.Sc. Janina Bühler verfasst. Bildquelle: www.barbara-egin.de Kommentare sind geschlossen.
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