Wer kennt diesen Moment nicht: Man steht gemeinsam, schweigend, vor einem Gemälde, vor einer Fotografie oder in einer Landschaft und lässt dies auf sich wirken. Denken Sie, Ihr Eindruck von dem, was Sie gerade betrachten, wäre anders, wenn Sie alleine wären? Oder ist der Eindruck Ihrer Umwelt immer gleich – unabhängig davon, wer bei Ihnen ist? Dieser spannenden Frage gingen ForscherInnen zweier amerikanischer Universitäten auf den Grund. Eine Studie von Erica J. Boothby, Leigh K. Smith, Margaret S. Clark, und John A. Bargh (2017) Zur Bearbeitung hier klicken.Menschen sind soziale Wesen und wollen ihre Umwelt entsprechend mit anderen, vor allem ihnen nahestehenden, Personen teilen. Bisherige Forschung konnte zeigen, dass soziale Aktivitäten als angenehmer wahrgenommen werden, wenn sie gemeinsam erlebt werden. Zum Beispiel sind Paare glücklicher, wenn sie neue und herausfordernde Aktivitäten gemeinsam erleben und Personen sind zufriedener, wenn sie gute Neuigkeiten mit einer nahen Person teilen können. All diese Situationen bedingen jedoch, dass Personen miteinander in Austausch stehen, das heisst, miteinander reden, Gefühle ausdrücken oder sich in der ein oder andere Weise zueinander verhalten.
Wie sieht es aber mit Situationen aus, in denen Personen nicht miteinander sprechen, etwa in Situationen, in denen wir dem leisen Rauschen des Flusses in der Natur lauschen, gemeinsam einen Sonnenuntergang betrachten oder das Gewitter am Himmel bestaunen; wenn wir ein Gemälde auf uns wirken lassen oder uns das letzte Stück Apfelkuchen im Mund zergehen lassen. Geniessen wir auch diese Momente mehr, wenn wir sie mit einer anderen Person erleben? Ein Forscherteam um Erica Boothby von der Yale University ging dieser Frage nach und untersuchte, wie das blosse gemeinsame Erleben – d.h. ein Erleben ohne direkten Austausch – die Wahrnehmung der Situation beeinflusst. Die ForscherInnen vermuteten, dass Personen Situationen auch im stillen Erleben mehr geniessen und als realer erleben, wenn sie diese mit einer vertrauten Person teilen, verglichen mit einer Situation, in der sie alleine sind oder eine ihnen unbekannte Person anwesend ist. In ihrer Studie liessen die ForscherInnen 18 Männer und 52 Frauen im jungen Erwachsenenalter eine Reihe von Fotos ansehen, die vorrangehend von den ForscherInnen als durchschnittlich schön eingestuft wurden. Die gesamthaft 48 Fotos wurden von den Versuchspersonen dahingehend bewertet, wie sehr sie die dargestellte Szene mochten und für wie real sie diese hielten. Während einige Personen bei der Diashow dieser Fotos alleine waren, betrachteten andere Personen die Fotos in Anwesenheit einer anderen Person. Das Forscherteam fand zuerst heraus, dass es keinen Unterschied für die Bewertung der Fotos machte, ob diese alleine oder in stiller Gemeinsamkeit betrachtet wurden. Allerdings zeigte sich bei genauerer Betrachtung, dass die Art der Beziehung zum stillen Betrachter/zur stillen Betrachterin eine Rolle spielte: Personen, die dieser anderen Person nah standen, fanden die Fotos schöner und stuften diese als realer ein als Personen, die dieser Person nicht nah standen. Dieses Ergebnis wurde auch in ihrer zweiten Studie bestätigt, da gezeigt wurde, dass der Grad der Beziehung beeinflusste, wie sehr das Foto gemocht wurde. Auch hier erwies sich, dass je enger die Versuchspersonen der Person standen, mit der sie das momentane Erleben teilten, desto stärker gefiel ihnen das Foto. Die ForscherInnen sehen einige Gründe dafür, warum die alleinige Anwesenheit einer engen Person und die gemeinsam gerichtete Aufmerksamkeit die Wahrnehmung und Bewertung einer Szene beeinflusst. Zum einen vermuten die ForscherInnen, dass die Anwesenheit einer anderen Person dazu führt, dass wir empathischer sind, das heisst, es wird nicht nur die eigene Perspektive, sondern auch die Perspektive der anderen Person miteinbezogen, was die Wirkung der Situation vergrössert. Ein anderer Grund könnte darin liegen, dass die Anwesenheit einer vertrauten Person dazu führt, dass wir uns sicherer und geborgener fühlen. Jedwede Aufmerksamkeit kann demnach ganz auf das Interesse des Geschehens gerichtet werden. Schliesslich sehen die ForscherInnen einen Grund darin liegen, dass wir durch das gemeinsame Erleben auch eine gemeinsame Realität schaffen. Dinge, die wir gemeinsam betrachten, werden realer in unserer Wahrnehmung und damit gefestigter. Welche Schlüsse können aus dieser Studie gezogen werden? Zum einen kann geschlussfolgert werden, dass gemeinsam erlebte Szenen als schöner betrachten werden. Dadurch, dass das Erlebte aber nicht nur als schöner, sondern auch als realer erlebt wird, können geteilte Erinnerungen in eine gemeinsame Geschichte fliessen; eine Geschichte, die nur diese beiden Personen miteinander teilen. Manchmal bedarf es folglich keiner grossen Worte oder Gesten, denn dann kann auch das still geteilte Erleben den Genuss des Moments steigern und wahrhaftiger machen. Dies sind die Momente, in denen Bilder mehr als 1000 Worte sagen. Dieser Blogpost wurde von M.Sc. Janina Bühler verfasst. Bildquelle: www.barbara-egin.de Kommentare sind geschlossen.
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